Warum ich ausgetreten bin?

Dienstag, 1. Juni 2010

„Danke trotzdem für die Bemühungen. Schöne Grüße an meine damalige Horttante Nina, die war großartig. Schöne Grüße auch an Sie.“ – so endet ein Antwortbrief, den ich im März von einem (ehemaligen) Pfarrmitglied erhalten habe. Ich habe diesem jungen Menschen und auch den anderen 82 Personen, die seit Jänner 2010 beim Standesamt ihren Austritt aus der katholischen Kirche bekannt gegeben haben, die Frage gestellt: „Was hat Sie bewogen auszutreten?“

Der Grund sei letztlich der Kirchenbeitrag und weil er/sie nicht an Gott glaube und die Ideale und Werte der Kirche für zu veraltet halte. Eine klare Entscheidung: warum soll ich für eine Kirche etwas finanziell beitragen, wenn ich meine Bindung an sie verloren habe.

Aber der Briefschreiber erinnert sich dankbar an seine Kindheit, als er den Hort der Pfarre Aspern besuchte, sich Dank der Erzieherin sehr wohl fühlte und letztlich ihr und der Institution Kirche großes Vertrauen entgegen brachte. Schade, dass diese Verbundenheit nun der Vergangenheit angehört.

Im März 2010 haben sich viele in ihren Antworten darüber empört und erschüttert gezeigt, dass es im kirchlichen Bereich zu Fällen sexueller Gewalt und Missbrauch gekommen ist. Dass kranke Täter die kirchliche Strukturen dazu benützt haben, um Kinder und Jugendliche physisch und psychisch zu verletzten und Leben zu zerstören. Zugleich wurde das Vertrauen in die Kirche nachhaltig erschüttert.

Auch wir im Pfarrgemeinderat waren betroffen, wir haben deshalb Anfang April zu einem offenen Pfarrabend zu diesem traurigen Missbrauchsthema eingeladen. Schade, dass nur 15 Personen zu diesem Gespräch gekommen sind…

„Warum ich ausgetreten bin?“ Manche denken: ich habe seit einiger Zeit keinen Kontakt zur Kirche, im Alltag spielt mein Katholischsein kaum eine große Rolle. Diese Missbrauchsfälle im Rahmen der Kirche sind für mich der letzte Anstoß, aus dieser Glaubensgemeinschaft auszutreten: Und ich kann so meinen Kirchenbeitrag einsparen…

Jeder einzelne Kirchenaustritt tut mir als Pfarrer sehr leid. Ich bedauere zutiefst, dass KatholikInnen durch die furchtbaren Missbrauchstaten einzelner ihr Vertrauen zur Kirche und ihre letzte Verbundenheit mit dieser Glaubensgemeinschaft aufgekündigt haben. Andererseits bin ich den vielen Tausenden in Aspern dankbar, die unserer Pfarre ihr Zutrauen weiterhin schenken: durch ihr Gebet, den treuen Kirchenbeitrag, durch Spenden für unsere Caritasprojekte, den hunderten Familien, die im Rahmen des Kindergartens, der Erstkommunion oder Firmung uns ihr Vertrauen schenken. So wie das ehemalige Hortkind von „Tante Nina“…

Pfarrer Georg Stockert

P.S.: Gerne informiere ich Sie auch über die neue Internetplattform der Katholischen Aktion Österreichs: Engagieren statt Resignieren. Die Homepage ist ein Beitrag dazu, die derzeitige Vertrauenskrise der Kirche in der Gesellschaft aufzuarbeiten und aktiv Schritte zu einer erneuerten und vertrauenswürdigen Kirche zu setzen.

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