„Keiner, der mit leeren Händen geht“

April 2023

Der Lebensmitteleinkauf ist für manche Menschen kaum noch erschwinglich. Sie können in Aspern bei Le+O schon die Einkaufstasche füllen, und bei Bedarf auch Beratung einholen; und das schon seit über 13 Jahren.

Montag in St. Martin in Wien Aspern. Am Kirchenvorplatz warten einige Frauen, eine hat im Kinderwagen ihr Baby dabei. Ein älteres Paar nähert sich, die Frau auf einen Stock gestützt, der Mann mit trippelndem Schritt zieht einen Einkaufstrolley. Punkt 14:30 Uhr öffnet sich die Tür zur Pfarrkirche für Le+O.

Le+O steht für „Lebensmittel und Orientierung“. Das Projekt der Caritas Wien Le+O kombiniert die Ausgabe von Lebensmitteln an armutsbetroffene Menschen mit einem individuellen, kostenlosen Beratungs- und Orientierungsangebot. Das Angebot gilt für Erwachsene, die monatlich mit rund 1.200 Euro oder weniger auskommen müssen, und für Menschen in besonderen Notlagen.

Der Bedarf hat sich verdoppelt

St. Martin ist eine der zehn Ausgabestellen, die seit dem Projekt-Start im November 2009 bei Le+O mitmachen. Vor Ausbruch der Corona-Pandemie kamen an manchen Montagen bis zu 100 Klienten in den Keller des Pfarrheims in Aspern, um kostengünstig Lebensmittel zu kaufen. Seit der Pandemie werden die Lebensmittelausgabe direkt in der Kirche ausgegeben, weil das weiträumige Gotteshaus größere Abstände möglich macht. Die Käufer müssen sich anmelden. 40 Klienten werden heute erwartet, langjährige Stammkunden und neuere Gäste, wie die Le+O-Mitarbeiter:innen die Kunden nennen.

In ganz Wien und Niederösterreich gibt es aktuell 15 Le+O-Ausgabestellen. Die Zahl der ausgegebenen Lebensmittelpakete hat sich in der letzten Zeit verdoppelt. In Aspern schlichtet ein Mitarbeiter gerade die vorbereiteten Lebensmittelkisten auf. Auch er wird bald mehr davon vorbereiten müssen, so fürchtet er. Finanzielle Engpässe in Folge Inflation und höherer Energiekosten kämen wohl erst: „Wenn die Nachzahlungen kommen.“

Gelebtes Teilen im Gotteshaus

Hans Pigisch war von Anfang an dabei. Heute leitet er das Team der rund 40 ehrenamtlichen Mitarbeiter. Am Montag steht der Le+O-Verantwortliche am Eingang der Pfarrkirche und prüft die Berechtigungskarten. Die einzelnen Stationen sind über den Kirchenraum verteilt: Desinfektionsmittel für die Hände, die vorgepackten Kisten mit den haltbaren Lebensmitteln, kleinere Kisten mit Sanitärartikeln, zwei Kühlboxen mit Wurst und Käse. „Brot haben wir genug, soviel jeder will“, versichert eine der Mitarbeiterinnen bei der Ausgabe. Erst wenn ein Ausgabepunkt frei wird, darf der nächste Klient nachrücken. Das ist Teil der Corona-Prävention.

Bei der letzten Station im Gang zwischen Hauptschiff und Zubau schüttelt eine Frau mit einem dicken, roten Wollschal den Kopf, als die Mitarbeiterin dort ihr eine Melone anbietet. „Was der Bauer nicht kennt, das isst er nicht“, lacht sie und freut sich stattdessen über einen Apfel und ein paar Zwiebeln. Wie Brot und Kühlwaren, ist auch das Gemüse kostenlos und wird ausgegeben, solange der Vorrat reicht.

Das Gemüse wurde wie alle der ausgegebenen Lebensmittel und Hygieneprodukte gespendet: Von Einzelpersonen – in der Pfarre Aspern wird in allen Gemeinden gesammelt - und von Geschäften und Gärtnern in der Umgebung; der Großteil stammt aber aus Großspenden an die Caritas Wien und wird von dieser auf die einzelnen Le+O Ausgabestellen verteilt. Weil die Spenden mit der gestiegenen Nachfrage nicht mithalten können, müssen die Pakete für die Einzelnen im Moment etwas kleiner ausfallen, bei den Registrierungen für Kunden gibt es einen vorläufigen Aufnahmestopp.

„Auch wenn es jetzt weniger ist, man kommt gut aus…“

Neben dem Seitenausgang im neuen Kirchenschiff ist die Kassa. „Ich kann mit den Lebensmitteln von hier kein komplettes Gericht kochen, aber ich spare mir das Geld für die Beilagen, oder für Kaffee“, freut sich eine Rentnerin, die gerade zahlt. 7,50 Euro für ihre volle Tasche mit Lebensmitteln und Hygieneartikeln. Seit einem Jahr kommt sie regelmäßig. „Mit meiner kleinen Pension spare ich mir da doch einiges.“

Etwas Abseits sitzt Ender Ceylan, im Keller des Pfarrheims; dort, wo vor der Pandemie auch die Lebensmittelausgabe war. Der Sozialarbeiter der Caritas pendelt von Pfarre zu Pfarre und berät Le+O-Kunden, die ihre Rechnungen für Miete oder Energie nicht mehr zahlen können, oder er hilft beim Ausfüllen von Anträgen. Ceylan steht für das O beim Projekt Le+O – für die Orientierung. Finanzcoaching kann er nicht anbieten – dafür empfiehlt er bei Bedarf die Schuldnerberatung.

Zurzeit ist es sehr ruhig bei ihm – kein Wunder: Früher war er mitten im Treiben der Lebensmittelausgabe; seit sein improvisierter Schreibtisch so weit entfernt ist von Brot und Gemüse, ist die Hemmschwelle für Anfragen größer. Das wird sich in Zukunft wohl wieder ändern – denn offene Rechnungen wird es voraussichtlich weiterhin geben. In Aspern ist Ceylan jeden zweiten Montag dabei.

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Eva Kohl

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