„Mir gibt der Karfreitag Kraft!“
März 2025
Kaplan Anselm Becker fragt Brigitte Berger über ihre persönlichen Erfahrungen mit Leid.
Wir haben uns heute getroffen, um über das große Thema Leid zu sprechen. Wir starten gleich richtig rein. Würden Sie uns über die großen Leiderfahrungen Ihres Lebens berichten?
- Die größte Leiderfahrung in meinem Leben war, als ich vor circa 8 Jahren eine ganz schwere Augenerkrankung bekommen habe, die zur Erblindung geführt hat. Eine andere sehr schwere Erfahrung war als mein Vater 2009 nach einer schweren neurologischen Erkrankung gestorben ist. Als Kind hatte ich auch noch eine leidvolle Erfahrung, meine Mutter ist gestorben als ich 8 Jahre alt war.
- Wenn Sie sich so zurück erinnern: Wie haben Sie diese Situationen damals bewältigt?
- Als Kind war es sehr schwer für mich. Ich war damals in der zweiten Volksschulklasse und mein Bruder, der 3 Jahre älter ist, war damals im ersten Gymnasium. Die Welt ist für uns zusammengebrochen. Ich spürte auch eine innere Dunkelheit. Aber mit Hilfe der Familie, von den Großeltern, Tanten, Onkel, Cousins und Cousinen ist wieder neues Licht in mein Leben gekommen.
- Wenn ich es richtig verstanden habe, dann waren es andere Menschen, die Familie, die Sie durchgetragen haben.
- Ja, das ist richtig. Als mein Vater gestorben ist, kam dazu auch der Trost, dass wir ihn bis zu seinem letzten Tag zu Hause begleiten durften. Dass er zu Hause sterben konnte, ist ein großer Trost für mich.
- Als gläubige Christin, hat der Glaube in diesen Zeiten für Sie eine Rolle gespielt?
- Der Glaube war für mich in jeder Situation eine Hilfe. In meiner Kindheit habe ich von meiner Mutter beten gelernt. Als sie gestorben ist habe ich mich beim Abendgebet damals schon sehr bei Gott festgehalten – und dann – durch meine Stiefmutter habe ich den persönlichen lebendigen Glauben gefunden.
- In welcher Hinsicht hilft Ihnen der Glaube?
- Ich weiß, dass Jesus bei mir ist, dass er Geborgenheit gibt. Es ist ein Aufgehoben-Sein, ein Getragen-Sein. Es ist die Freundschaft mit Gott, die mich einfach durch alle Höhen und Tiefen des Lebens trägt, auch durch die des Leidens.
- Würden Sie sagen, dass es vielleicht sogar einen Sinn im Leiden gibt?
- Dieser Sinn des Leidens ist im ersten Moment nicht vorhanden. Das Leiden macht keinen Sinn. Aber beim Durchleben und im Nachhinein macht für mich das Leiden schon einen Sinn, weil es mich einfach tiefer in das Leben gebracht hat. Ich glaube, ich kann manche Dinge in einer anderen Tiefe wahrnehmen, als es sonst der Fall wäre.
- Das Osterfest steht kurz bevor: Worauf freuen Sie sich bei diesem Fest besonders?
- Die große Freude ist natürlich der Glaube, dass Jesus von den Toten auferstanden ist! Es ist aber auch die Feier des Karfreitags, die mir persönlich viel Kraft gibt. Wenn ich daran denke, dass Jesus am Kreuz gestorben ist und davor viel Schweres erlebt und erlitten hat, dann kann ich mein Kreuz in sein Kreuz, mein Leid in sein Leid hinein legen. Das ist die Kraft, die ich aus dem Karfreitag schöpfe.
- Welche Hoffnungen schöpfen Sie persönlich aus dem christlichen Glauben?
- Meine Hoffnung ist, dass Jesus einfach weiß warum alles passiert ist und dass alles einmal im Himmel vollendet werden wird. Dass ich dann erkennen kann, warum und wieso dies und jenes passiert ist und wofür es auch gut war. Außerdem habe ich die Hoffnung, dass ich mit meine Einstellungen zu leidvollen Situationen auch anderen Menschen Mut machen und Hoffnung schenken kann.
Wenn dich im Leben eine Leidsituation trifft, ist die Frage nach dem „Warum“ nicht hilfreich. Die Frage: „Wozu ist das gut?”, die hilft weiter. Durch meine Erblindung kann ich zum Beispiel andere Menschen nicht mehr visuell wahrnehmen. Ich kann aber vielleicht noch ein Stück mehr spüren, was im Herzen vor sich geht. Es geht eben um diesen Blick nach innen, dieses mit dem Herzen wahrnehmen. Ich halte mich da an die Worte von Antoine de Saint-Exupéry: „Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“
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