Christus Hoffnung Europas

Dienstag, 10. Juni 2003 – 18:00 bis 19:00 Uhr

Auftaktveranstaltung zum Katholikentag am Pfingstdienstag, 10. Juni 2003

um 18 Uhr als "Europa-Vesper für den Frieden" im Stephansdom.

Gemeinsamer Hirtenbrief zum Mitteleuropäischen Katholikentag 2003/2004

zum Mitteleuropäischen Katholikentag 2003/2004

(Kurzfassung)

Liebe Schwestern und Brüder!

(1) "Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und allem Frieden im Glauben, damit ihr reich werdet an Hoffnung in der Kraft des Heiligen Geistes" (Röm 15,13). Mit diesem Wort des Hl. Paulus wenden wir, die Erzbischöfe und Bischöfe aus acht mitteleuropäischen Ländern, uns zum ersten Mal gemeinsam an die Gläubigen, um gleichzeitig zum Mitteleuropäischen Katholikentag einzuladen. Wir tun dies in unserer Mitverantwortung für Europa. Was Paulus vor 2000 Jahren an die Gemeinde von Rom geschrieben hat, ist auch heute noch eine erlösende Neuheit: Wir dürfen an einen Gott der Hoffnung glauben, an einen Gott, der Hoffnung ist - für uns und die ganze Welt. Das gilt auch für Europa, einen Kontinent, der - wie vielleicht nie zuvor in der Geschichte - dabei ist, zu einer Einheit zusammenzuwachsen.

I. Hoffnung für Europa

(2) Manche sehen in diesem werdenden Europa eine Hoffnung, andere nehmen eher bedrohliche Tendenzen wahr. Die einen verweisen auf neue Möglichkeiten eines friedlichen Miteinanders von Völkern, Kulturen und Religionen. Sie sind dankbar, dass für viele Völker Mitteleuropas eine lange Zeit der Unfreiheit und des Leidens zu Ende geht, die viele Menschen das Leben gekostet hat. Unter ihnen sind nicht wenige, die in Treue zu ihrem Glauben ihr Leben als Märtyrer für Christus gegeben haben.

(3) Viele hoffen auf eine gemeinsame Stimme unseres Kontinentes in den großen Aufgaben, die uns weltweit aufgegeben sind. Andere warnen vor einem Europa, das mit seinen wirtschaftlichen Möglichkeiten über ärmere Völker Macht ausübt und sich in seinem Reichtum verschließt, und sie verweisen kritisch auf Tendenzen, kulturelle und moralische Werte aufzugeben, die seit Jahrhunderten zum wertvollen Erbe Europas gehören. Sie sehen die Würde des menschlichen Lebens auf vielfache Weise bedroht.

(4) Ist Europa eine Hoffnung? Die Antwort wird wohl lauten müssen: Europa gibt manchen Anlass zu berechtigten Erwartungen, aber Europa ist keine Hoffnung, sondern eine Aufgabe. Eine Aufgabe, die wir allerdings nur lösen werden, wenn wir aus tiefen Quellen schöpfen können, nicht zuletzt aus der Quelle der Hoffnung. Aber wo finden wir die Quelle der Hoffnung?

II. Christus unsere Hoffnung

(5) An dieser Stelle ist es gut, sich an ein programmatisches Wort unseres Papstes Johannes Paul II. zu erinnern, das er bei der Vesper für Europa am 10. September 1983 in Wien gesprochen hat: "Die Hoffnung Europas ist das Kreuz Christi. Es ist das Zeichen der versöhnenden, Leid und Tod überwindenden Liebe Gottes zu uns Menschen, Verheißung der Brüderlichkeit aller Menschen und Völker, göttliche Kraftquelle für die beginnende Erneuerung der ganzen Schöpfung."1 An dieses Wort wollen wir anknüpfen, wenn wir, die Erzbischöfe und Bischöfe aus Bosnien-Herzegowina, Tschechien, Kroatien, Ungarn, Österreich, Polen, Slowenien und Slowakei zu einer gemeinsamen "Wallfahrt der Völker" nach Mariazell in Österreich am 22. und 23. Mai 2004 einladen.

(6) Acht Länder in Mitteleuropa sind es. Das kann uns an die acht Ecken der altkirchlichen Taufkirchen und Taufbrunnen erinnern und damit an die christlichen Wurzeln, von denen Europa mit seiner Kultur bis heute lebt. Zugleich sind die Taufbrunnen ein deutlicher Hinweis, dass es der Glaube und die Taufe sind, die uns den Zugang zur eigentlichen Quelle aller Hoffnung eröffnen. Wir finden sie nicht in einer Idee, sondern unsere Hoffnung ist eine Person: Jesus Christus, der Gekreuzigte und Auferstandene, der zur Rechten Gottes des Vaters sitzt.

(7) Sein Kreuz ist - wie es Papst Johannes Paul II. gesagt hat - "das Zeichen der versöhnenden, Leid und Tod überwindenden Liebe Gottes zu uns Menschen, Verheißung der Brüderlichkeit aller Menschen und Völker, göttliche Kraftquelle für die beginnende Erneuerung der ganzen Schöpfung." Diese Gnade der Versöhnung ermächtigt und verpflichtet gerade Christen, sich mit allen Menschen zu versöhnen. Wir müssen daher Vergebung bei jenen erbitten, denen wir Unrecht und Schaden zugefügt haben. Gleichzeitig ist es unsere Christenpflicht, Verzeihung zu gewähren, wenn wir um Vergebung gebeten werden. Nur so kann eine dauerhafte Versöhnung unter Menschen und Völkern und ein Friede in Gerechtigkeit erreicht werden.

(8) In Christus sind Gottes Leben und Liebe mitten in der Geschichte aufgeleuchtet, und so hat er uns eine Hoffnung geschenkt, die Erde und Himmel umfasst. Weil sie im Himmel begründet ist, ist sie zugleich auch eine wirklich erdnahe Hoffnung. Es ist eine Hoffnung, die uns solidarisch macht mit unseren und allen Völkern und Menschen, die uns öffnet für ihre Sorgen und Nöte, ihre Hoffnungen und ihre Freuden.2 Unsere Hoffnung hat ihren Ursprung im Glauben an Gott Vater, der sich uns in seinem Sohn geoffenbart hat und uns im Heiligen Geist als Schwestern und Brüder zur Einheit zusammenführt.

(9) In diesem Glauben können wir mit Worten der Bischofssynode für Europa unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern, besonders aber denen, die in Politik und Gesellschaft Verantwortung tragen und Einfluss ausüben, sagen: "Die Botschaft und das Zeugnis des Evangeliums bilden die große Kraftquelle, die Europa die unerlässliche und oft zitierte Seele wiedergeben kann, die fähig ist, die Wirtschaft in den Dienst des Gemeinwohls zu stellen, die Politik zu einem Ort verantwortlicher und weiter blickender Entscheidungen zu machen, das soziale Leben zum Raum für die Förderung der Institutionen von der Familie bis zu den Vereinigungen zu machen, die das lebendige Gewebe der neuen europäischen Gemeinschaft darstellen."3 Und noch einmal mit anderen Worten: "Jesus Christus, der lebt in seiner Kirche, ist Quelle der Hoffnung für Europa."4

III. Eine Kirche, die an ihre Quellen geht

(10) Ja, es ist "Jesus Christus, der lebt in seiner Kirche ..." Was Christus wirkt, wird im bezeugenden Glauben und Handeln der Kirche gegenwärtig und wirksam. So hat es das Zweite Vatikanische Konzil gesehen: "Die Kirche ist ja in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit."5 Das ist das Selbstbewusstsein der Kirche, eine Verheißung und eine Aufgabe.

(11) Der Mitteleuropäische Katholikentag und unsere gemeinsame Pilgerfahrt nach Mariazell sind eine Einladung, die Kirche zu werden, die wir sind. Dazu fordert uns Papst Johannes Paul II. auf, wenn er von einer neuen Evangelisierung spricht. Sie hat ihre Mitte in Jesus Christus. Ihn gilt es als den Reichtum unseres Lebens kennen zu lernen. Zu ihm können und sollen wir gehen, der der Frau beim Jakobsbrunnen gesagt hat: "Wer von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird niemals mehr Durst haben, vielmehr wird das Wasser, das ich ihm gebe, in ihm zur sprudelnden Quelle werden, deren Wasser ewiges Leben schenkt." (Joh 4,14) Und wenn wir aus dieser Quelle schöpfen, werden wir fähig sein, auch anderen Hoffnung zu geben. Gottes Hoffnung gilt für alle Menschen. Wo Menschen Christus und sein Evangelium der Hoffnung entdecken und mit Glauben annehmen, dort wird die Hoffnung für sie zu einer lebendigen Wirklichkeit.

(12) Zu Christus gehen, der die Hoffnung Europas ist, wie kann das konkret aussehen? Wir möchten Euch, liebe Schwestern und Brüder im Glauben, auf drei Punkte hinweisen. Es wäre schön und ermutigend, wenn wir uns in der Zeit der Vorbereitung auf unsere Wallfahrt nach Mariazell in der Mühe um diese drei Schwerpunkte verbunden wissen könnten:

(13) Erstens: Suchen wir im Lesen und Leben des Wortes Gottes eine neue Verbundenheit und Vertrautheit mit Christus. Er allein hat Worte ewigen Lebens (vgl. Joh 6,68), Worte, die Hoffnung sind. Lesen wir diese Worte aber nicht nur, sondern leben wir sie - dann werden wir entdecken, dass es wirklich Worte des Lebens sind!

(14) Zweitens: Entdecken wir neu den Sonntag und die Eucharistie als die Feier mit Christus, dem Auferstandenen, der uns in den Gestalten von Brot und Wein seinen Leib und sein Blut, sein göttliches Leben schenken will. Entdecken wir in dieser Feier das Sakrament der wahren Einheit, auf die die Menschen warten - eine Einheit mit Gott, die uns zugleich zu Schwestern und Brüdern macht.

(15) Drittens: Das Leben aus dem Wort Gottes und aus der Eucharistie mündet in ein Leben, das geprägt ist von der gegenseitigen Liebe. Es ist ein Leben, das uns nicht nur tief mit Gott verbindet, sondern auch konkret ist - im Einsatz für das Leben, für Frieden, Gerechtigkeit und für die Bewahrung der Schöpfung. Eine wertvolle Orientierung dafür haben wir in der Soziallehre der Kirche, die durch unseren Einsatz zu einem Bauprinzip für Europa werden soll. Allen Menschen gilt unser Dienst - besonders denen, die benachteiligt und entrechtet sind, die hungern an Seele und Leib. So werden wir das neue Gebot erfüllen, das zum Vermächtnis Jesu gehört (vgl. Joh 13,34).

(16) Schwestern und Brüder - richten wir unseren Blick nach vorne! Als Christen haben wir nicht nur eine Vergangenheit, sondern vor allem auch eine Zukunft. Um diese Zukunft geht es bei unserem gemeinsamen Mitteleuropäischen Katholikentag. Auf unserem Pilgerweg vertrauen wir uns in besonderer Weise Maria an. Sie verbindet unsere Völker, die sie in Mariazell gemeinsam anrufen als Magna Mater Austriae, Magna Domina Hungarorum, Alma Mater Gentium Slavorum. Mit ihrer Fürbitte möge sie uns helfen, Zeugen der Hoffnung zu sein, die wir Christus verdanken und die uns in Europa zu einer wahren Einheit zusammenführen kann.


1 Johannes Paul II., Ansprache bei der Vesperfeier für Europa auf dem Heldenplatz in Wien (10. September 1983), 1, in: L'Osservatore Romano deutsch, Nr.37/1983, S. 5.

2 Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution Gaudium et spes, 1.

3 Instrumentum laboris der Bischofssynode: Zweite Sonderversammlung für Europa, in: Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls, Nr. 138, Bonn 1999, Nr. 53.

4 So lautet der Titel des Grundtextes (Anm. 3).

5 Zweites Vatikanisches Konzil, Kirchenkonstitution Lumen gentium, 1.4

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