Projekt Klimaoase

September 2023

Schatten, der auch Sonne spendet

Aus gesundheitlichen Gründen muss ich mich derzeit körperlich schonen, aber das ist nicht nur ein Nachteil. Die Gäste bei der sommerlichen Klimaoase bereichern uns mit ihren Gesprächen außerordentlich. Dafür habe ich nun eben Zeit.

Der vor einigen Wochen verstorbene Pfarrer Wolfgang Pucher aus Graz war vorbildlich in seinem Umgang mit Menschen in Not. Seine Arbeit stand auf zwei Säulen, der praktischen Hilfe zur Linderung von Not wie Hunger und Obdachlosigkeit und der Begegnung auf Augenhöhe, dem Annehmen von allen Menschen. Dass diese Art des sozialen Kontakts nicht immer ganz leicht ist, möchte ich gar nicht leugnen. Jesus jedenfalls hat sich über soziale Barrieren stets souverän hinweggesetzt.

Verena (Name geändert), ein Stammgast unserer Klimaoase, hat mir das Wort hangry beigebracht. Dass großer Hunger Körper und Psyche schwer belastet, ist nachvollziehbar. Verena weiß, wovon sie spricht. Nach Abzug der Fixkosten bleibt ihr – nichts. Die Klimaoase und andere Projekte ermöglichen ihr das Überleben. Die gute, große Jause ist für die Akademikerin mit gesundheitlichen Problemen das wichtigste Angebot. Sie genießt aber auch das Grün der Bäume und den geschützten Raum des Pfarrgartens. Verena möchte mit „Sie” angesprochen werden, um die oft herablassende Verwendung von „du” zu vermeiden. Religion ist für sie ein bewusster Teil ihres Lebens. Sie hat eine Klosterschule besucht und positive Erinnerungen an diese Zeit. In der Pfarre Aspern erlebt sie nach eigenen Aussagen Verlässlichkeit, Barmherzigkeit, Verständnis und Achtung der Menschenwürde. Wenn auch viele andere Gäste einen weniger bildungsaffinen Lebensweg gegangen sind, ist Verena in der wöchentlichen Gruppe bestens integriert.

Verenas offene Worte mögen ein Beispiel sein für zahlreiche Gespräche, in denen uns Lebensweisheit, Lebensfreude, Dankbarkeit, aber auch widerfahrenes Leid der Gäste anvertraut werden. Die Asperner Klimaoase bietet neben Abkühlung und Sättigung sowohl den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern als auch den Gästen Gemeinschaft, die nicht auf gesellschaftlicher Zuordnung basiert.

Brigitta Mychalewicz

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