„Laudato si“ – Enzyklika

Mittwoch, 1. Juli 2015 – 15:20

Laudato siiPapst Franziskus ruft zu einem Umdenken und zu einem umweltbewussten und nachhaltigen Lebensstil auf. Die Antwort auf grundlegende Zukunftsfragen darf nicht mehr aufgeschoben werden. Der Papst warnt vor dem Zusammenwirken eines rein technologischen Fortschrittsglaubens zusammen mit einem nur auf Gewinn ausgelegten Wirtschaftssystem und egoistische Moralvorstellungen. Nur gemeinsames weltweites solidarisches Handeln kann verhindern, dass die Menschheit die Welt und sich selbst an die Wand fährt.

"Laudato si" - Die zentralen Passagen

Kapitel 3 - "Die menschlichen Wurzeln der ökologischen Krise"

Während der Papst im ersten Kapitel seiner Enzyklika die Phänomene der gegenwärtigen ökologischenund sozialen Krise thematisiert, analysiert er im dritten Kapitel die diesen Phänomen zugrundeliegendenmenschlichen Ursachen. Er ortet diese vor allem in einem weltweit vorherrschenden "technokratischen Paradigma"und einer falschen Sicht der Stellung des Menschen (Anthropozentrismus) und seines Handelns inder Welt (Relativismus).

Tatsache sei, dass "der moderne Mensch nicht zum richtigen Gebrauch der Macht erzogen wird", denn das enorme technologische Wachstum sei nicht mit einer Entwicklung des Menschen in Verantwortlichkeit,Werten und Gewissen einhergegangen. Die Menschheit brauche deshalb eine solide Ethik, eine Kultur undSpiritualität, die Grenzen setzen und Selbstbeschränkung lehren (105).

Der Papst kritisiert die "Globalisierung des technokratischen Paradigmas": Das dominante technokratischeParadigma nehme die gesamte Realität als Objekt wahr, die man grenzenlos manipulieren kann. Von da ausgelange man leicht zur Idee eines unendlichen und grenzenlosen Wachstums, das die Ökonomen, Finanzexpertenund Technologen so sehr begeisterte. "Dieses Wachstum setzt aber die Lüge bezüglich der unbegrenzten Verfügbarkeit der Güter des Planeten voraus, die dazu führt, ihn bis zur Grenze und darüber hinausauszupressen", so der Papst (106).

Das technokratische Paradigma beherrscht ebenso die Wirtschaft wie die Politik, stellt der Papst kritisch fest(109). Die Finanzen erstickten die Realwirtschaft. Für den Papst steht fest: "Man hat die Lektionen der weltweitenFinanzkrise nicht gelernt, und nur sehr langsam lernt man die Lektionen der Umweltschädigung. DerMarkt von sich aus gewährleistet jedenfalls nicht die ganzheitliche Entwicklung des Menschen und die sozialeInklusion (109). Papst Franziskus zeigt sich aber grundsätzlich optimistisch: Die menschliche Freiheit seiin der Lage, die Technik zu beschränken, sie zu lenken und in den Dienst einer anderen Art des Fortschrittszu stellen, der gesünder, menschlicher, sozialer und ganzheitlicher ist (112).

Der moderne fehlgeleitete Anthropozentrismus akzeptiere nicht die Natur als Norm, sondern er stelle dietechnische Vernunft über die Wirklichkeit (115), kritisiert der Papst weiter. Und er wird deutlich: "Wennman schon in der eigenen Wirklichkeit den Wert eines Armen, eines menschlichen Embryos, einer Personmit Behinderung - um nur einige Beispiele anzuführen - nicht erkennt, wird man schwerlich die Schreie derNatur selbst hören." Alles sei miteinander verbunden (117).

Die Kritik an einem fehlgeleiteten Anthropozentrismus dürfe aber nicht zur Hinwendung zu einem ebensounausgeglichenen "Biozentrismus" werden, die dem Menschen jeglichen besonderen Wert abspricht, warntder Papst. "Wenn der Mensch bloß für einWesen unter anderen gehalten wird, das aus einem Spiel des Zufalls oder einem Determinismus der Naturhervorgeht, dann droht in den Gewissen der Menschen das Verantwortungsbewusstsein abzunehmen" (118).

Als Konsequenz eines fehlgeleiteten Anthropozentrismus ortet der Papst einen praktischen Relativismus, beidem alles irrelevant wird, "wenn es nicht den unmittelbaren eigenen Interessen dient" (122). Einmal mehr macht Franziskus auch deutlich, dass sich der Einsatz für Ökologie und Menschenwürde nichttrennen lässt, wenn er schreibt: "Andererseits ist es besorgniserregend, dass einige ökologische Bewegungen,wenn sie die Unversehrtheit der Umwelt verteidigen und zu Recht gewisse Grenzen für die wissenschaftlicheForschung fordern, bisweilen dieselben Prinzipien nicht für das menschliche Leben anwenden. Für gewöhnlichwird das Überschreiten aller Grenzen gerechtfertigt, wenn mit lebenden menschlichen Embryonen Experimentedurchgeführt werden. Man vergisst, dass der unveräußerliche Wert eines Menschen jenseits seinerEntwicklungsstufe liegt."(136)

Kapitel 4 - "Eine ganzheitliche Ökologie"

Die Phänomene und Ursachen der ökologischen und sozialen Fehlentwicklungen hat Papst Franziskus in denvorangegangenen Kapiteln auf den Tisch gelegt. Nun möchte er diesem Befund eine "ganzheitliche Ökologie"als neues Paradigma der Gerechtigkeit entgegenhalten. Es gebe einen Zusammenhang zwischen Umweltfragenund sozialen und menschlichen Fragen, der nicht zerbrochen werden darf, betont der Papst einmal mehr(141).

Deswegen sei es entscheidend, "ganzheitliche Lösungen zu suchen, welche die Wechselwirkungen der Natursystemeuntereinander und mit den Sozialsystemen berücksichtigen. Es gibt nicht zwei Krisen nebeneinander,eine der Umwelt und eine der Gesellschaft, sondern eine einzige und komplexe sozio-ökologische Krise"(139). Die Wege zur Lösung erforderten einen ganzheitlichen Zugang, "um die Armut zu bekämpfen, denAusgeschlossenen ihre Würde zurückzugeben und sich zugleich um die Natur zu kümmern." (139) Ökologiesetze auch die Pflege der kulturellen Reichtümer der Menschheit im weitesten Sinn voraus" (143).

Ganzheitliche Ökologie umfasst auch den Alltag. Die Enzyklika wendet sich besonders dem urbanen Leben zu. Der Papst fordert eine ganzheitliche Verbesserung der Lebensqualität. Die menschliche Dimension der Ökologie beinhalte auch das Akzeptieren des eigenen Körpers als Gabe Gottes" so der Papst. Eine Logik der Herrschaft über den eigenen Körper könne sich in eine manchmal subtile Logik der Herrschaft über die Schöpfung verwandeln, warnt der Papst (155).

Schließlich betont der Papst das Prinzip des Gemeinwohls: Ganzheitliche Ökologie oder Humanökologie "ist nicht von dem Begriff des Gemeinwohls zu trennen" (156). "In der gegenwärtigen Situation der globalen Gesellschaft, in der es so viel soziale Ungerechtigkeit gibt und immer mehr Menschen ausgeschlossen und ihrer grundlegenden Menschenrechte beraubt werden", werde der Einsatz für das Gemeinwohl immer auch zu einem "Appell zur Solidarität" und zu einer "vorrangigen Option für die Ärmsten" (158).

Das Gemeinwohl betreffe aber nicht nur die gegenwärtige Generation sondern ebenso die zukünftigen Generationen: "Ohne eine Solidarität zwischen den Generationen kann von nachhaltiger Entwicklung keine Rede mehr sein" (159), betont Franziskus. Darüber dürften die Armen von heute aber nicht vergessen werden. Den Kern von "Laudato si" bildet die Frage "Welche Art von Welt wollen wir denen überlassen, die nach uns kommen, den Kindern, die gerade aufwachsen?" (160).


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