Der Maibaum

Mai 2019

Schon die alten Germanen verehrten diverse Waldgottheiten z.B. die Donareiche, die dem Gott Donar bzw. Thor geweiht war. Im Laufe der Zeit vermischte sich das heidnische mit dem christlichen Brauchtum. 1230 wird der Maibaum als „Lebensrute“ für alles Werden und Fruchttragende erstmals erwähnt. Seine heutige Form hat er seit dem 16. Jh. Ab  dem 19. Jh. wird er in selbständigen Gemeinden zum Zeichen ihres Selbstbewusstseins aufgestellt. Es entstand lokales Brauchtum, das sich von Gegend zu Gegend erheblich  unterscheidet. Da gibt es z.B. das Kräftemessen beim Maibaumkraxeln oder den Tanz um den Maibaum. Tradition hat auch das „Stehlen“ des Maibaumes. Wer darf ihn und wann und wie darf er entwendet werden. Auch die Bedingungen, ihn zu bewachen bzw. ihn auszulösen oder zurückzugeben sind örtlich verschieden. Diese Regeln sind sogar in einem digitalen Infosystem aufgelistet. Dieser Brauch wurde von einigen Banausen völlig „missverstanden“ als sie einmal den Maibaum am Asperner Siegesplatz in einer Nacht- und  Nebelaktion demolierten.

Die Gemeinde Wien ist stets bemüht, das Stadtbild im öffentlichen Bereich schön und ansprechend zu gestalten. Da findet man nicht nur in Parkanlagen, sondern auch auf vielen Freiflächen wunderschönen Blumenschmuck (an dieser Stelle ein Dankeschön an die MA 42) und zur Weihnachtszeit beleuchtete Christbäume. Bei uns im Bezirk werden seit 2012 an zentral gelegenen Stellen sogar Maibäume aufgestellt, an denen der Herr Bezirksvorsteher persönlich unter dem Applaus der Zuseher die Widmungstafel befestigt.  Diese Bezirksbäume dienen nicht zur Ehrung einer Person, eines Vereins oder einer Wirtshausrunde, sondern sie sollen den Wonnemonat Mai begrüßen, vor allem den 1. Mai,  den Tag der arbeitenden Menschen und darüber hinaus die Bevölkerung erfreuen. Skurille Typen, die so einen Maibaum schänden, denken wohl nicht daran, dass es auch ihr  Baum ist, denn sie haben ihn auch mit ihrem Steuergeld mitfinanziert.

Es ist zu hoffen, dass diese „Maibaumkiller“ ihr barbarisches Tun als Fehlinterpretation eines alten Brauches erkennen und in Zukunft unseren und somit auch ihren Maibaum  unbehelligt lassen.

1. Mai – Tag der Arbeit, ein Staatsfeiertag – und auch die Kirche feiert an diesem Tag den hl. Josef, den Arbeiter. Außerdem ist der Mai Marienmonat, also der Gottesmutter gewidmet.

Um diese drei Anlässe gebührend zu ehren, beschlossen wir diesmal (1965) einen Maibaum aufzustellen. Wir – eine Handvoll junger Männer von der Pfarre, voll Idealismus und Tatendrang – erstanden bei der Forstverwaltung eine passende Föhre. Der Transport dieses 13 m langen Baumes mit einem Traktor und Anhänger aus dem Föhrenwald im Lobauer Ochsenhalt war schwierig. Den Stamm an der Sitzlehne des Anhängers angebunden, den Wipfel weit über das Heck hinausragend und das Stammende noch über den  Traktor vorstehend, tuckerten wir heimwärts. Entrinden, Kranz flechten und die Tafel anbringen und dann schnell nach Hause, denn schon um 7 Uhr war bei der Kirche Treffen  zum Familienausflug. Von der Morgensonne beleuchtet stand unser nächtliches Werk majestätisch im pfarrlichen Vorgarten. Wir waren zufrieden, ja sogar ein wenig stolz.

Es lag nicht in unserem Interesse, dass der Maibaum mit einer pompösen Feier begrüßt oder seine Aufstellung mit einem Umtrunk gefeiert werde, aber einen kleinen „WOW  Effekt“ in Form von „ja schön ist er“ oder „schau, endlich wieder ein Maibaum“ hätten wir schon erhofft. Doch nichts dergleichen war zu hören. So stand er nun den ganzen Mai  einsam, unbedankt und kaum beachtet und wir trösteten uns mit dem Spruch „die Zeit ist halt noch nicht reif für solche Aktionen“.

47 Jahre später – Verkehrsstau am Asperner Siegesplatz, verursacht durch einen LKW, der mit seinem Kran einen Maibaum in eine schon vorbereitete Halterung im Grünstreifen platzierte. Dazu Blasmusik und viel Applaus vom zahlreich anwesenden Publikum, speziell als der Bezirksvorsteher die Tafel „Hoch der 1. Mai“ montierte. 2014 – auf Ersuchen des Bezirksvorstehers Norbert Scheed sprach Pfarrer Georg Stockert beim Maibaum ein Segensgebet. Festtagsstimmung pur – da musste ich wehmütig an den 1. Mai 1965  zurückdenken.

 

Johannes Holba

Johannes Holba - Foto

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