25 Jahre Kiew-Aspern

Juli 2020

Ein Silbernes Jubiläum der Hoffnung und Begeisterung

Ein unglaubliches Vierteljahrhundert ist es her, dass Helga Tippel eine Idee aufnahm, die die Welt zu einem besseren, helleren und schöneren Ort machte. Damals, 1995, wurden Familien gesucht, die bereit waren, Kinder aus der Ukraine für drei Wochen aufzunehmen und ihnen so Ferien abseits des oft sehr tristen Alltags in ihrer Heimat zu ermöglichen. Die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl war noch kein Jahrzehnt vorbei. Klar war schon damals, dass die Jüngsten unter den Folgen noch lange werden leiden müssen.

Angst, niemanden zu finden

Natürlich gab es auch Bedenken. Werden sich genug Familien finden, die bereit sind, ein fremdes Kind aufzunehmen? Wird es Probleme geben? Was machen wir, wenn…? Helga Tippel steckte mit ihrer Begeisterung andere an. Einer Mischung aus ansteckender und anpackender Freude am Helfen, Idealismus, Nächstenliebe, Organisationstalent und Empathie für Menschen, die nicht auf die Butterseite des Lebens gefallen sind, erwuchs eine Unzahl an Aktivitäten.

Die Löwin von Aspern

So wurde Helga Tippel in einem Artikel der Wochenzeitung „Die Furche“ genannt. Ein Titel, der ihr geblieben ist. Flohmärkte, Kinderkonzerte, Kirchensammlungen,  Kartoffelverkauf vor der Kirche und vieles andere mehr erbrachten unglaubliche Spendensummen. Kontakte zu unzähligen Unternehmen, Ärzten und einer Vielzahl an Helferinnen und Helfern knüpften ein dichtes Netz der Nächstenliebe. Es gab kaum ein Problem, das an Helga Tippel herangetragen wurde, für welches sie keine Lösung fand.

Was mit den Kinderurlauben vor 25 Jahren begonnen hat und in der Errichtung des Hauses „Aspern“, einem Straßenkinderheim in Kiew gipfelte, hat bis heute mehr als 1.000 Kindern aus einem der ärmsten Winkel Europas den Weg in eine bessere Zukunft geebnet. Kinder und Jugendliche zwischen drei und 16 Jahren, oftmals Waisen oder aus bedrückenden Verhältnissen stammend, erlebten im Verlauf der Kinderurlaube und im Straßenkinderheim Wärme und Solidarität.

Bis heute halten viele Familien in Österreich Kontakt zu den jungen Menschen. Jobtraining und Lernunterstützung, Krisenunterbringung und eine Mutter-Kind-Wohnung, um nur ein paar Splitter aus dem Ganzen herauszugreifen, bedeuten Hoffnung und Licht, Freude und Zukunft für ein besseres Leben. Helga Tippel, dem bis heute unermüdlichen guten Geist dahinter, und allen, die sich hier so vielfältig und wunderbar engagieren, möchte ich als Präsident der Caritas ein aufrichtiges Danke und ein freudvolles „Vergelt’s Gott“ zu diesem Silbernen Jubiläum tausendfach gelebter Nächstenliebe sagen. Genau das ist gelebte Caritas, gelebter Glaube: Liebe, die zur Tat wird. Nochmals von Herzen danke dafür!

Michael Landau
Präsident der Region Europa der Caritas Internationalis

Am Donnerstag, 2. Juli 2020 feierten wir um 19 Uhr im Pfarrgarten einen Dankgottesdienst „25 Jahre Kiew – Aspern“. SpenderInnen und  ehemalige Gasteltern waren zu diesem Silbernen Jubiläum sehr herzlich eingeladen. Caritaspräsident Dr. Michael Landau bedankte sich bei Helga Tippel für ihr herausragendes Engagement im Sinne der Caritas.

Helga Tippel erinnert sich an die letzten 25 Jahre zurück:

Auch von meiner Seite möchte ich zu Ihnen allen ein herzliches „Willkommen“ sagen!

Sehr geehrter Herr Präsident Dr. Landau – nochmals „DANKE“, dass Sie trotz großen, neuen Aufgaben für die EU, die Zeit gefunden haben, mit uns zu feiern – DANKE für die schöne Messe!

Die Heimleiterin Frau Vera Koschyl hat sich sehr gefreut auf ein Wiedersehen mit Ihnen allen und ist sehr traurig, dass Corona die Einreise verhinderte, sie schickt herzliche Grüße. Sechs Heimkinder waren mit hohem Fieber im Spital – es war aber angeblich kein Corona – alle sind wieder gesund.

Kaum zu glauben – bereits vor 25 Jahren – ich hatte damals die Leitung der Pfarr-Caritas – las ich im Februar 95 – Caritas Blatt den Aufruf mit der Bitte geschädigten Kindern nach der Tschernobyl-Reaktor-Katastrophe einen Erholungsaufenthalt zu bieten. Mir gefiel der Gedanke sofort, der raschen Möglichkeit, Kindern zu helfen, denn viele junge Menschen sind durch die Strahlenbelastung gestorben, die Sozialleistungen der Ukraine waren und sind noch immer schlecht.

Mein Mann stimmte mir zu – und wollte in meiner Abwesenheit die Pflege meiner 85-jährigen Mutter übernehmen. Also fragte ich unseren Herr Pfarrer – die positive Antwort: „Gut, wenn du die Organisation übernimmst, versuchen wir eine Ferienaktion.“ Im März war der Aufruf im Pfarrblatt, Gasteltern wurden gefunden. Und im Juni kam Frau Vera Koschyl mit 42 Kindern, einem ukrainischen Arzt und zwei Studenten nach 29 Stunden Reise zum dreiwöchigen Aufenthalt an.

Für mich war es wichtig und gut, dass Frau Filip von der Caritas für mich erreichbar war – sie war zur Seite, wenn es Probleme gab.

Für den Aufenthalt waren Begrüßungs- und Abschiedsfest geplant.

Für die vier Ausflüge oder Führungen hatte ich Herr Galhaup mit den Elite-Bus zur Seite – dafür waren wir sehr dankbar.

Liebe Gasteltern! Sie haben die größte Aufgabe vollbracht – die spontane Aufnahme fremder Kinder ohne Sprachkenntnisse. Sie haben gefüttert, getröstet, geputzt, neu eingekleidet und auch sonst Wertvolles geleistet und viel Geld ausgegeben.

Alle Gastfamilien bemühten sich sehr, das zu bieten, was diese Kinder kaum kannten: liebevolle Aufnahme, neue Spiel- und Sportkameraden mit viel Spielzeug; Entdeckung neuer Essgewohnheiten mit viel Obst, weiche Betten, spielen und baden in schönen Gärten. Viele Kinder lernten während des Aufenthaltes schwimmen und radfahren.

Ein wichtiger Fixpunkt für mich war bei jeder Aktion der Besuch bei der Augenärztin Dr Kramer – einfühlsam und kompetent wurden die Untersuchungen gemacht – und sehr oft Brillen verschrieben. Auch Vera und die Begleiterinnen wurden kostenlos untersucht. Optiker Blattner stellte meist kostenlos die Brillen zur Verfügung.

Besonders spannend und aufregend war der Besuch beim Zahnarzt Dr. Kveder. Vorausblickend und hilfsbereit fragte er mich schon im April: „Wann kommen die Kinder wieder? Ich teilte meinen Urlaub danach ein!“ Überrascht waren die Kinder, dass sie bei der Behandlung Musik hören durften. Die ukrainische Begleiterinnen hatten genau so viel Angst wie die Kleinen – ich stand daneben und ließ ihnen meine Hand spüren. Stolz, es geschafft zu haben, verließen sie Dr. Kveder bis zum nächsten Mal.

Bei der Festen gestalteten und arbeiteten viele Pfarrmitglieder mit – da wurden aber bereits Pläne für das nächste Jahr geschmiedet – es war eine große Zusammenarbeit.

Nach der Ruhezeit der Fahrer fuhr der Bus mit Hilfsgütern bis zur Belastungsgrenze beladen nach Kiew zurück und holte nach drei Wochen die Kinder mit reichem Gepäck, Proviant und einer neuer Reiseapotheke ab.

Der Abschied war bei den Eltern, Kindern und mir sehr rührend – Herr Galhaup überprüfte nochmals die stark beanspruchten Wagenreifen – dann waren die gelungenen Ferienwochen vorbei.

Nach zwei Tagen erhielten wir die gewünschte Meldung: „Alle waren in Kiew gut und gesund angekommen – es war wunderschön – dürfen wir wiederkommen?“

Es folgten weitere 13 Ferienaktionen bis 2008.

Insgesamt waren über 800 Kinder bei uns, viele mehrmals, weil sie so gut in die Familie passten.

Es gab keine ernsten Erkrankungen und keinen groben Unfall!

Wir erlebten die große Freude der Nächstenliebe über weite Grenzen.

In Kiew wurde das Kinderheim „Fond Aspern“ gegründet und seit damals gab es auch die Hilfsgüter-Transporte – zuerst durch die Caritas, später durch ukrainische Firmentransporte, die noch immer stattfinden – weil es noch immer Not gibt!

Unsere finanziellen Unterstützungen, die über die Caritas laufen, sichern den Betrieb des Heimes! Dieses heutige Jubiläumstreffen ist keine Abschiedsveranstaltung von der Unterstützung, sondern sie soll uns klarmachen, dass es besonders wertvoll und wunderschön ist, wenn viele Menschen durch viele Veranstaltungen, Einsätze, Spenden und Treue zum Projekt gemeinsam auch viele Kinder und deren Familien wieder froh machen können!

Die Not ist nach wie vor groß und das Helfen ist noch immer aktuell!

Rückblickend kann man sagen, dass viele Kinder wichtige Eindrücke aus ihren Aufenthalten bei uns für ihr späteres Leben mitgenommen haben. Zum Beispiel bei den Führungen im Nationalpark Lobau haben die Kinder erstmals Naturschutz erlebt – zu Beispiel noch heute erinnert sich Rostik, der später in Wien studierte, an die Mikroskopbetrachtung – alle Tierchen, haben die Kinder wieder ins Wasser zurückgetragen – und niemand sollte auf Käfer, Schnecken oder Würmer draufsteigen – das war neu für sie.

Sie haben den Wohlstand bei uns erlebt – aber auch erfahren, dass unsere Kinder regelmäßig in die Schule gehen und dann brav weiterlernen – um dann später gute Berufe zu haben.

Bei meinen Besuchen in Kiew habe ich viele dankbare „Ehemalige“ getroffen – sie sind heute erfolgreich, viele haben bereits Familie, arbeiten so gut als möglich, und erinnern sich dankbar an Wien!

Die Zusammenarbeit mit Vera Koshyl war und ist gut – aus dem Arbeitsverhältnis wurde Freundschaft.

Ich sage nochmals großen Dank an alle Helfer und Spender – ohne sie wäre das erfolgreiche Projekt nicht so schön gewachsen!

Für mich war die Sorge um die Kinder in Kiew und die Arbeit rundherum in den 25 Jahren eine sinnvolle und sie macht mit heute noch Freude!

Link …

Ort

25 Jahre Kiew-Aspern

Aspern - Pfarre Aspern
19:00-20:00
Pfarrgarten

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