Gäste, Nachbarn, Freunde

Dezember 2023

Die Herbergssuche gehört zur Weihnachtsgeschichte, so wie die Flucht nach Ägypten. Wie geht es jenen Flüchtlingen, die vorübergehend in der Pfarre Aspern Herberge gefunden hatten?

Das letzte Weihnachten war für mich ein besonderes: Ich habe am Heiligen Abend mit Krippe, Christbaum und einem zwölfgängigen Menü gefeiert. Mit Kutja aus der Ukraine und Keksen aus Österreich. Und mit drei jungen Leuten, die aus der Ukraine nach Wien-Aspern geflüchtet waren. Trotz Unsicherheit und Heimweh wurde es ein fröhliches Weihnachtsfest.

In den ersten Monaten in Wien haben die drei in der damals leeren Pfarrerswohnung in St. Martin gewohnt, wo wir einander im Pfarrgarten vorgestellt wurden. Dort traf ich im heurigen Sommer auch die beiden Väter aus Afghanistan, die schon 2015 mit ihren Familien nach St. Martin gekommen waren. „Ich war in Afghanistan Finanz-  und Transportmanager. Damals kam ich mit meiner Frau und meinem vier Monate alten Kind nach Aspern“, erinnert sich der eine, und lacht: „Jetzt habe ich einen neuen Beruf erlernt. Ich arbeite in einer Bäckerei im Verkauf. Und wir haben jetzt drei Kinder.

„Wir hatten damals so viel Zeit“

Auch bei der anderen Familie gibt es Nachwuchs. Die älteren Kinder beider Familien gehen schon in die Schule, teilweise schon an Mittelschule und Gymnasium, der Vater ist Hausarbeiter. Die beiden Mütter kümmern sich um Haushalt und Kinder und lernen Deutsch. Beide Familien leben nun in der Nachbarschaft der Pfarre. „Als wir in St. Martin gewohnt haben, haben wir viel Zeit miteinander verbracht. Jetzt sind wir alle sehr beschäftigt.“ Trotzdem halten die Familien miteinander Kontakt, manchmal kommen sie nach St. Martin auf Besuch.

2015 lebten auch zwei junge Männer aus Afghanistan in St. Martin, die bald in eine private Unterkunft übersiedeln konnten. Einer der beiden wohnt jetzt in Deutschland und hat Familie; zum anderen scheint der Kontakt abgerissen.

Bei der Familie aus Syrien, die zur gleichen Zeit in St. Katharina wohnte, haben die Belastungen zum Zerwürfnis und zur Trennung der Eltern geführt. Doch auch sie haben Grund zur Freude: Einer der mittlerweile erwachsenen Söhne hat den Führerschein gemacht, die Tochter ist verheiratet und Mutter zweier Töchter. Sie sind in verschiedenen Bezirken Wiens zuhause, der Kontakt zu einzelnen Pfarrmitgliedern ist sporadisch.

Auf Heimkehr hoffen, die Zeit nützen

Die jungen Leute aus Kiew haben noch engen Kontakt. Sie hoffen, bald wieder in ihre Heimat zu können. In der Zwischenzeit aber arbeiten die beiden jungen Frauen im Gastgewerbe. Die jüngere hat neben der Arbeit online ihr Studium abgeschlossen und wohnt in einer Privatunterkunft. Die ältere hat kürzlich eine kleine Mietwohnung für sich und ihren Bruder gefunden. Der hat – parallel zum Schulbesuch in Wien – online in Kiew maturiert. Seit Herbst besucht er eine höhere Schule in Wien, für die er fleißig Deutsch lernt.

Und ich kenne jetzt das Rezept für Kutja. Das wird heuer wieder auf meinem Weihnachtstisch stehen. Denn Weihnachten ist Flucht und Herbergsuche, aber auch Freude und Hoffnung.

Eva Kohl


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