St. Josef am Ulanenweg

Man schrieb das Jahr 1948 - die russische Besatzungsmacht war bei uns, bedingt durch die Nähe des Flugfeldes, sehr präsent. Die Straßenbahnlinie 317 war damals das einzige öffentliche Verkehrsmittel, Autos gab es kaum und auch Fahrräder waren noch Mangelware. Langsam aber normalisierte sich der Alltag und auch das pfarrliche Leben begann wieder aktiv zu werden. Pfarrer Frana und seinem Kaplan Rohrer war es ein großes Anliegen, auch jenen Gläubigen den Besuch einer Sonntagsmesse zu ermöglichen, die weit entfernt von St. Martin wohnten.

Auf der Ladefläche eines LKW wurde ein Tisch montiert, an den Ecken des Tisches vier Stangen befestigt und darüber eine Plane gelegt. So war bei schlechtem Wetter zumindest das Allerheiligste geschützt. Um 8 Uhr gab es eine hl. Messe in der Stadtrandsiedlung und um 9 Uhr ganz draußen am Biberhaufenweg. Im Schnitt besuchten jeweils ca 70 Personen den "fliegenden" Gottesdienst.

Fahrende Kirche Groß war die Freude, als die von der Erzdiözese eingesetzte fahrende Kirche unsere "LKW Kapelle" ablöste. An einem Opel Kastenwagen konnte man die Rückwand wie einen Flügelaltar öffnen, den Altartisch wie ein Pult herausziehen und ein Podium aufklappen - fertig war das Presbyterium; das Kirchenschiff war die Straße an der Ecke Biberhaufenweg zu Ulanenweg. Ein mitgeführtes Harmonium wurde aufgestellt und die hl. Messe am Straßenrand unter freiem Himmel konnte beginnen. Der Innenraum des Fahrzeuges diente als Sakristei und Beichtzimmer.

Auf der Fahrt zum Gottesdienst wurde eine Schallplatte mit Glockengeläute abgespielt und über einen Lautsprecher, der am Dach des Wagens montiert war, nach außen übertragen. Trotz einer Plane, die man vom Wagendach wegspannen konnte, gab es bei Schlechtwetter Probleme.

Haus Schanze E Da war Frau Gradinger die Retterin in der Not. Sie stellte einen Teil ihres bescheidenen Hauses am Biberhaufenweg (damals Schanze E) zur Verfügung. Diese provisorischen Räumlichkeiten wurden am 4. November 1956 von Bischof Franz Jachym eingeweiht. Gottesdienste, Andachten und diverse Zusammenkünfte konnten nun unter Dach stattfinden. Diese Notkirche wurde bis zum 1. November 1970 benützt, dann erzwang der gefährliche bauliche Zustand die Schließung dieser Kirche. Nun bemühte sich die Pfarre um die Errichtung einer Kirche am Ulanenweg, wo die Pfarre schon länger einen Baugrund besaß. Alfred Gruber schrieb damals einen eindringlichen Brief an Erzbischof Franz Jachym. Zusammen mit Leopold Zima erhielt er einen Gesprächstermin. Erzbischof Jachym war sehr freundlich, bezeichnete uns als „Kirchenväter” und murmelte nur ein paar Mal: „Das kostet eine Million ......” Die Zeit verging, aber es geschah nichts. Aus diesem Grund beschloss der Pfarrgemeinderat erneut bei Erzbischof Jachym vorzusprechen. Zu diesem Gespräch kamen über 10 Personen, was dem Erzbischof missfiel. Die Stimmung war eher frostig, die finanzielle Situation der Diözese dürfte sich in der Zwischenzeit verschlechtert, haben. Das Drängen der Gläubigen ließ aber nicht nach.

Originalstandplatz in Glanzing 1956 Zeichnung - Mag. Anton Richter. Eine Kirche geht auf Reisen über die Donau

Just zu der Zeit, als man in der Pfarre Aspern große Sorgen um die "obdachlos" gewordenen Kirchengeher der Region Lobau hatte (baupolizeiliche Sperre der Notkirche), war die Pfarre Glanzing im 19. Bez. ebenfalls mit Sorgen beladen allerdings ganz konträrer Art. Ihre Notkirche - ein barackenähnlicher Holzbau- wurde nicht mehr benötigt und sollte abgerissen und kostenpflichtig entsorgt werden.

Diese Gelegenheit nützte unser damaliger Pfarrer Otto Klohna. Aspern besorgte kostenlos und schonend den Abbruch in Glanzing und bekam dafür die Holzkirche. Die Abtragung begann im Februar 1972. Zerlegt und die Teile numeriert wurde sie nach Aspern gebracht. Die Lagerung erfolgte teils auf dem Bauplatz, teils im Pfarrsaal. Nach einigen Verzögerungen erfolgte im Juni 1972 der Baubeginn und auf einen kircheneigenen Grundstück am Ulanenweg wurde die Kirche wieder aufgestellt. Was hier in wenigen Sätzen einfach und flott zu lesen ist, war in Wirklichkeit eine mühsame und langwierige Arbeit.

St. JosefUnentgeltlich stellten viele Helfer ihr Können und ihre Arbeitskraft zur Verfügung. Sie "zauberten" in rund 2600 Arbeitsstunden ein schmuckes Kirchlein in das Siedlungsgebiet am Biberhaufenweg. Weil es vor allem Holz- Tischler- u. Zimmermannsarbeiten gab, war es naheliegend, den hl. Josef, den Arbeiter als Kirchenpatron zu wählen (Über den hl. Josef) . Eine Stimme aus dem Volk sagte: „Herr Pfarrer, ich gehe zwar nicht oft in die Kirche, aber auf dem Biberhaufen gehört eine Kirche her.“

Mit der Christmette 1972 wurde der Betrieb in der neuen Filialkirche aufgenommen. Die feierliche Einweihung erfolgte am 2. Juni 1973 durch Erzbischof-Koadjutor Dr. Franz Jachym. 29 Jahre leistete das Kirchlein "St Josef, der Arbeiter" am Ulanenweg gute Dienste.

Einweihung St. Josef
Am 2. Juni 1973 wurde St. Josef an einem extrem heißen Tag von Erzbischof Jachym eingeweiht.

Altar in St. Josef Die Kirche St. Josef entstand nicht aus einer plötzlichen Idee sondern aus den religiösen Bedürfnisse - in den Herzen der Gläubigen gewachsen. Im Durchschnitt kamen zur Samstagvorabendmesse eine kleine Schar zu den Gottesdiensten, aber über so eine „kleine Herde“ wird ja in der Bibel sehr wohlwollend gesprochen!

Zu besonderen Anlässen, z.B. zur Christmette, fanden sich freilich viel mehr Mitfeiernde ein. St. Josef war dann bis auf den letzten Platz gefüllt. Weil die „Stimmung“ in der kleinen Kirche familiärer als in der großen Pfarrkirche war, kamen immer wieder Gläubige aus dem Ortskern von Aspern nach St. Josef. Anziehend wirkte auch, dass nur hier die Vorabendmesse am Samstag gefeiert wird.

Durch den Zuzug von neuen Bewohnern wurde die Kirche noch bekannter, auch wenn sie wegen der hoch gewachsenen Birken vom Biberhaufenweg, her kaum sichtbar ist. Zwar war die Schar der Mitarbeiter nicht sehr groß, trotzdem lief alles reibungslos ab. Von Beginn an machte Herr Leopold Zima die Mesnerarbeit und die Kirchenreinigung (er wohnte gleich neben der Kirche). Nach seinem Tod 1982 übernahm unsere treue Frau Mayer die Kirchenreinigung, die Mesnerarbeit wurde seither von Alfred Gruber gemacht. Gemeinsam mit seiner Frau hielt er die Verbindung zur Pfarrkanzlei aufrecht.

Durch das Wegsterben der alten Stammkirchenbesucher und der "Pioniere" von damals, sowie die "Konkurrenz" in Form der sehr modernen und auch wesentlich praktischeren Seelsorgestation St. Katharina wurde die Zahl der Kirchenbesucher immer geringer.

Größere Reparatur- und Instandhaltungsarbeiten wären in nächster Zeit dringend notwendig gewesen. Deshalb beschloss im November 2000 der Asperner Pfarrgemeinderat, die Filialkirche zu schließen.

Aus für St. Josef

Die Notkirche St. Josef wird geschlossen

27 Jahre war das kleine Kirchlein in der Lobau das Zuhause der Gottesdienstgemeinde am Ulanenweg. Die ursprünglich im 19. Bezirk in Glanzing erbaute Notkirche war im Jahr 1972 in Aspern von vielen ehrenamtlichen Mitarbeitern aufgebaut worden.

Viele Asperner liebten die heimelige Atmosphäre der kleinen Kirche, besonders beliebt und bis auf den letzen Platz besetzt war immer die Christmette um 22 Uhr.

Aber seit Juli dieses Jahres werden die Samstag-Vorabendmessen nicht mehr am Ulanenweg sondern in der Pfarrkirche gefeiert. In den letzten Jahren sind viele treue „St.Josef-Leute“ gestorben. Von den „statistischen“ 27,5 Gottesdienstbesuchern (laut langjähriger Zählungen) kamen nur mehr wenige zu Fuß oder per Rad aus der näheren Umgebung, während genausoviele - z.B. aus der Stadtrandsiedlung - vier Kilometer mit dem Auto quer durch Aspern fahren mussten, um zur Vorabendmesse zu gelangen.

Nach den Beratungen im Liturgieausschuss , einer Zusammenkunft mit den "St. Josef - Leuten" anfangs November 2000 und einer offenen Diskussion im Pfarrgemeinderat kam das offizielle "Aus" für St. Josef. Der Pfarrgemeinderat stimmte einstimmig für die Schließung der Notkirche.

Es war keine leichte Entscheidung, war doch St. Josef am Ulanenweg vielen ins Herz gewachsen. Aber die Zeit ist nicht stehenblieben: das Gebiet rund um St. Josef ist verkehrstechnisch nicht mehr so abgeschnitten wie vor 27 Jahren, die Menschen sind heute viel mobiler. Und die jungen Familien haben durch Kindergarten, Schule oder Kindergottesdienste eher Kontakte zur Pfarrkirche geknüpft.

So wurde das Ende von St. Josef im Pfarrgemeinderat beschlossen Das erzbischöfliche Ordinariat wurde im Dezember von dieser Entscheidung offiziell informiert. In der Folge gab es mehrere Ideen bezüglich einer weiteren Verwendung des Grundstücks, die vom Finanzausschuss des Pfarrgemeinderates gemeinsam mit der Rechtsabteilung der Diözese überlegt wurden.

Die alte Holzkirche wurde abgebaut und in der Seestadt in der Nähe der U2-Station Aspern Nord wieder aufgebaut. Dort wird sie als Notgalerie wiederverwendet.